Vor 65 Jahren: Der 1. September 1939
Die "vergessenen" Opfer des II. Weltkrieges...
1. September 1939 -
Vor 65 Jahren begann offiziell der II. Weltkrieg.
Deutsche Rundfunkstationen übertrugen eine Rede Adolf Hitlers, in der er
ganz klar sagte:
(Einspielung O-Ton: Seit 5Uhr45 wird jetzt zurückgeschossen.MP3).
Heute wissen wir, daß Hitler den Einmarsch in Polen befohlen hat und
es eben nicht so war, daß polnische Soldaten mit dem Krieg begonnen haben.
Der 1. September 1939 -
Auch ein anderes Dokument, ein Ermächtigungsschreiben, trägt
dieses Datum:
"Adolf Hitler Berlin, den 1. September 1939
Reichsleiter Bouhler und
Dr. med. Brandt
sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender
Ärzte so zu erweitern, daß nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken
bei kritischter Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt
werden kann.
gez.: Adolf Hitler"
Ein Gnadentod - Ist doch eine gute Sache, liebe Hörer?
-- Nein, ist es nicht. Denn dieses Schreiben ist der Beginn eines der schlimmsten
Verbrechen des III. Reiches.
Jetzt ist der Weg frei für die Lehrmeinungen von Karl Binding und Alfred
Hoche, welche sich die Nationalsozialisten zu eigen machten.
Jetzt ist der Weg frei, um "unnützes" Leben zu beenden.
Binding und Hoche veröffentlichten schon im Jahre 1920 ein Buch mit dem
Titel "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens".
Sie schrieben, u.a.:
"...
Die Rechtssprechung hat nicht die Pflicht, folgende Leben weiter zu schützen
1. die zufolge Krankheit oder Verwundung unrettbar Verlorenen, die im vollen
Verständnis ihrer Lage den dringenden Wunsch nach Erlösung besitzen
und ihn in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben haben."
(S.29)
"...
2. Die zweite Gruppe besteht aus den unheilbar Blödsinnigen - einerlei
ob sie so geboren oder etwa wie die Paralytiker im letzten Stadium ihres Leidens
so geworden sind. Sie haben weder den Willen zu leben, noch zu sterben."
(S. 31)
Alfred Hoche schreibt gar von Ballastexistenzen, welche gegenüber dem
Ganzen an Bedeutung verlören.
Doch nicht Binding und Hoche haben die Thematik der "unnützen Existenzen"
erfunden.
Bereits zur Zeit der Industrialisierung, Ende des 19ten Jahrhunderts entstand
die Feststellung:
"Lebensunwertes" leben nützt nicht der Gemeinschaft, sie belastet
diese.
Es ist nicht "brauchbar".
Soll "lebensunwertes" Leben dennoch, auf Kosten der übrigen Gemeinschaft,
weiterleben dürfen?
Es wurde sich die Frage gestellt:
Wer ist denn nun "lebenswert", für die Gemeinschaft "brauchbar"?
Derjenige, der z.B. die folgenden Fähigkeiten besaß:
Pünktlichkeit, Leistungsgleichmäßigkeit, Unterdrückung
persönlicher Besonderheiten, Kalkulierbarkeit und die Bereitschaft zum
reibungslosen, monotonen Funktionieren.
Die anderen, die, die diese Fähigkeiten nicht besaßen wurden in öffentliche
"Einrichtungen" eingewiesen:
Es wurden Altersheime, Pflegeheime, Waisenhäuser, Kindergärten, Idiotenanstalten,
Arbeitshäuser, Gefängnisse und Irrenanstalten errichtet.
Dieser Sozialdarwnistische Gedankengang setzte sich fort und wurde, auch
in "Mein Kampf" von Hitler, sowie, ausführlicher, von Binding
und Hoche dargestellt.
Das dieses Gedankengut auf fruchtbaren Boden fiel, zeigt alleine schon die
Geschichte der
"Kindereuthanasie". Am 18.8.1939 wurde eine Meldepflicht für
mißgebildete Kinder bis zum Alter von 3 Jahren für Ärzte und
Hebammen eingeführt.
Die erfaßten Kinder wurden auf spezielle Stationen des "Reichsausschusses
zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden",
den sogenannten Kinderfachabteilungen, verlegt.
Teilweise sogar ohne die Einwilligung der Eltern. Die Tötung dieser
"lebensunwerten" Kinder erfolgte durch Morphium-Hydrochloral, Luminal
oder einfach durch Nahrungsentzug bzw. einseitiger Ernährung.
Ab Kriegsbeginn, vor 65 Jahren, dem 1. September 1939, begann die Erfassung
und Sammlung der, in den Augen der NS-Diktatur, "lebensunwerten" Menschen.
Seit Juli 1933 war das Reichsgesetz "zur Verhütung erbkranken Nachwuchses"
verkündet.
Nach diesem Gesetz sollen "Schwachsinnige", Schwerbehinderte, Blinde
und Taube unfruchtbar gemacht werden.
Ganz im Sinne der "Rassenhygiene" die Nicht-"Aarischen",
also nicht "perfekten", Menschen auszurotten.
Das Zwangssterilisationsgesetz löste eine Denunzierungswelle aus:
"Erbgesundheitsgerichte" entscheiden, zumeist ohne den Betroffenen
überhaupt gesehen zu haben, über Anträge zur Unfruchtbarmachung.
In "Fließband-Arbeit" wurden die Anträge behandelt. Meist
hieß es, nach wenigen Minuten:
"Der oben genannte Proband ist unfruchtbar zu machen.".
Dann setze die "Euthanasie" ein.
Karl Brandt, einer der Ärtze, welche von Adolf Hitler, zur "Gnadentod"-Erteilung
ermächtigt wurde, begann mit dem organisierten Ermorden.
Organisiert von einen Berliner Haus, der "Tiergartenstrasse 4", wurde
die Aktion gestartet.
Später wurde daher auch nicht mehr von "Euthanasie" sondern von
der "T4"-Aktion gesprochen.
Zehntausendzweiundsiebzig Menschen mit Behinderungen wurden in einem Keller
in Hadamar, in der Zeit von Januar 1941 bis August 1941, durch Gas ermordet.
Der letzte Weg führte eine Treppe hinunter in den Keller.
Dort standen zwei große Krematoriumsöfen, wie sie später auch
in den Vernichtunglagern aufgebaut wurden.
50 bis 60 Personen wurden in den kleinen, 14 qm großen "Duschraum"
geschickt.
Kaum einer realisierte, daß nun die letzten Minuten ihres Lebens begonnen
hatten, denn es strömte kein Wasser, sondern Kohlenmoxyd aus den Duschköpfen.
Der Tod kam langsam.
Übelkeit, Sehstörungen, Herzstörungen, Schwindel und, da sie
langsam bemerkten was wirklich geschah, auch Erregung machte sich dort breit.
Nach etwa einer Stunde wurde das Gas wieder abgelassen und durch Frischluft
ersetzt.
Die sogenannten "Brenner" hatten die Aufgabe, die ineinander verkrampften
Leichen auf einen
Schienenwagen zu legen. Die meisten wurden in den Krematoriumsraum geschoben.
Einigen der Toten wurden aber, im Sezierraum, zu Forschungszwecken, zuvor das
Gehirn entnommen.
Heute sind diese Kellerräume Bestandteil einer Gedenkstätte.
Es gab auch noch weitere "T4"-Vernichtungsanstalten:
Auf Burg Grafeneck, südlich von Stuttgart, wurden 9839 Menschen ermordet.
In Brandenburg an der Havel: 9772.
In Bernburg an der Saale: 9375.
In Hartheim bei Linz (Östereich): 18269.
In Sonnenstein bei Pirna: 13720.
Insgesamt, bis zum Ende der "offiziellen" "T4"-Aktion,
im August 1941, war es die Bevölkerung einer Kleinstadt, nämlich über
71.000 Menschen, welche ermordet wurden.
Beendet wurde diese "offizielle" "T4"-Aktion durch eine
engagierte Predigt des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen
in St. Lamberti zu Münster am 3.8.1941.
Es sagte, unter anderem:
"[...]
Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, daß man den "unproduktiven"
Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach
werden! Wenn man die unproduktiven Mitmenschen töten darf, dann wehe der
Invaliden, die im Produktionsprozeß ihre Kraft, ihre gesunden Knochen
eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben!
Wenn man die unproduktiven Mitmenschen gewaltsam beseitigen darf, dann wehe
unseren braven Soldaten, die als schwer Kriegsverletzte, als Krüppel, als
Invaliden in die Heimat zurückkehren.
Wenn einmal zugegeben wird, daß Merschen das Recht haben, "unproduktive"
Mitmenschen zu töten, und wenn es jetzt zunächst auch nur arme, wehrlose
Geisteskranke trifft, dann ist grundsätzlich der Mord an allen unproduktiven
Menschen, also an den unheilbar Kranken, der arbeitsunfähigen Krüppeln,
den Invaliden der Arbeit und des Krieges, dann ist der Mord an uns allen, wenn
wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben.
Dann braucht nur irgendein Geheimerlaß anzuordnen daß das bei
den Geisteskranken erprobte Verfahren auf andere "unproduktive" auszudehnen
ist, daß es auch bei den unheilbar Lungenkranken, bei den Altersschwachen,
bei den Arbeitsinvaliden, bei den schwerkriegsverletzten Soldaten anzuwenden
ist.
Dann ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher.
Irgendeine Kommission kann ihn auf die Liste der "unproduktiven" setzen,
die nach ihrem Urteil "lebensunwert" geworden sind.
Und keine Polizei wird ihn schützen und kein Gericht seine Ermordung ahnden
und den Mörder der verdienten Strafe übergeben.
Wer kann dann noch Vertrauen haben zu einem Arzt? Vieleicht meldet er den Kranken
als "unproduktiv" und erhält die Amnweisung, ihn zu töten?
[...]"
Offiziell wurde das Euthanasieprogramm schließlich als beendet erklärt.
Doch insgeheim lief es weiter.
Jetzt nicht mehr durch Ermordung mit Gas, sondern durch Gabe von Medikamenten
oder durch Nahrungsentzug.
Es sollten, bis zum Kriegsende, noch über weitere 80.000 Menschen werden.
In Hadamar befindet sich, ganz in der Nähe der Gedenkstätte, der
Friedhof, auf dem die damals Ermordeten begraben wurden.
Ein schmaler Weg aus Steinplatten führt über den Friedhof.
Vorbei an Grabsteinen, welche die großen Weltreligionen symbolisieren
hin zu einer Gedenkstele.
„Mensch achte den Menschen“, steht dort.